Krieg by Rausch Jochen

Krieg by Rausch Jochen

Autor:Rausch, Jochen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2013-04-26T04:00:00+00:00


39

Mit Karen ist plötzlich alles anders. Sie unterrichtet wieder und ist seitdem so heiter wie schon lange nicht. Noch immer kann sie ihn überraschen, auch nach all den Jahren. Am Anfang ihrer Verliebtheit dachte Arnold, sie blieben für immer die Menschen, die sie damals mit achtzehn, neunzehn Jahren gewesen waren. Erst später begriff er, dass sie sich alle paar Jahre fremd wurden, sich zu anderen Menschen veränderten, ganz ohne dass sie es wollten oder sich dagegen wehren konnten, und dann, als ein anderer Arnold und eine andere Karen, miteinander weiterlebten.

Sie singt das Lied aus dem Radio mit. Sie deckt den Tisch, schneidet das Brot auf, gießt den Wein ein. Ihre Haut ist wächsern und glänzt. Die Haare sind ihr stumpf geworden. Aber sie zittert nicht mehr. Der Geruch vom Cognac ist geblieben. In der Garage hinter dem Rasenmäher hat er vor ein paar Tagen einen weiteren Karton mit leeren Flaschen gefunden. Der Cognac lässt Karen auf eine Weise sprechen und gestikulieren, die ihm fremd ist. Er weiß nie, was sie als Nächstes tut oder sagt. Manchmal verfällt sie ohne erkennbaren Anlass in ein düsteres, stundenlanges Schweigen, um sich dann, genauso überraschend und grundlos, aus geringstem Anlass vor Lachen zu schütteln.

»Wie war es denn in der Schule?«, fragt sie.

»Eigentlich wie immer.«

»Bei mir auch. Ich hatte nur vergessen, wie laut es auf einem Schulhof zugeht.«

»Zum Glück sind ja bald Ferien.«

»Was hältst du denn von einer Kreuzfahrt in den Ferien?«

Dazu macht sie ein unternehmungslustiges Gesicht.

»Eine Kreuzfahrt?«

»Ja, warum denn nicht?«

»Ich wusste gar nicht, dass du Kreuzfahrten magst.«

»Woher denn auch, wir kennen uns doch erst seit einunddreißig Jahren.« Sie lacht. »Möchtest du vielleicht noch einen Wein?«

»Danke, ich habe noch.«

Sie erhebt sich, nimmt die Flasche von der Küchenablage und will ihm nachschenken.

»Das Glas ist doch noch voll, mein Schatz.«

»Oh, das habe ich dann wohl überhört.« Ihr Blick ist verzweifelt jetzt. Gleichzeitig will sie lachen.

Hör doch endlich auf zu lachen, hör auf.

»Hat Chris mal wieder geschrieben?«, fragt sie und kämpft mit den Tränen. Beißt sich auf die Lippen. Knetet die Hände.

»Ja, ja, hat er. Er freut sich, dass es bald vorbei ist. Dass er nach Hause kann. Er hat das Volleyballturnier gewonnen, und die Nudeln sind immer noch versalzen. Es geht ihm gut, ich soll dich herzlich grüßen.«

Sie nickt. Sie lächelt. Von allem ein wenig zu viel. Dann verdunkelt sich ihr Gesicht, und sie sieht ihn argwöhnisch an, sieht ihn an wie einen Lügner.

»Das hör ich gern. Das hör ich wirklich gern.« Sie nippt an ihrem Wein, trinkt das Glas mit einem Zug leer, schenkt sich gleich wieder nach.

»Ich könnte mir vorstellen, dass Chris und Sandra heiraten, wenn er erst zurück ist«, sagt er.

Sie sieht auf, sieht ihn ungläubig an, schüttelt den Kopf.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Der Junge hat so was angedeutet.«

»Und das sagst du mir erst jetzt?«

»Wer weiß«, sagt er, »vielleicht werden wir sogar bald Großeltern.«

Sie dreht sich zum Fenster. Die Straßenlaterne wirft einen gelblichen Kegel in die Dunkelheit. Sie hält ihr Gesicht dem Fensterglas entgegen, als genösse sie die letzten Strahlen einer versinkenden Sonne.

»Oma«, sagt er.



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